Zahlen, Daten, Fakten.
In meinem Büro im oberösterreichischen Walding herrscht angespannte Stille. In wenigen Minuten werden wir die Ergebnisse einer Studie entblinden. Es handelt sich um ein Projekt, welches uns die letzten zwei Jahre begleitet hat und von dem wir hoffen, dass es die Entwicklung eines Wirkstoffes im Bereich der Onkologie maßgeblich beeinflussen wird.
Eine klinische Studie wird durchgeführt, um zu prüfen, wie sicher und wie wirksam eine Behandlung ist. Eine sehr simple Vorgangsweise dafür ist, die Patient:innen in zwei Gruppen einzuteilen. Eine Gruppe erhält die Behandlung, die andere Gruppe erhält die zurzeit verfügbare Standardbehandlung und / oder Placebo.
Die Ergebnisse vergleicht man am Ende der Studie und so kann man eine entsprechende Aussage treffen.
In der Königsdisziplin wissen weder das behandelnde Team noch die einzelnen Patient:innen, wer in welcher Gruppe ist. Das ist nicht ganz einfach zu planen, aber gehört mittlerweile zur Routine unserer Firma.
Das Ganze wird dann evidenzbasierte Medizin genannt und bedeutet, dass medizinische Entscheidungen auf Grundlage einer empirisch nachgewiesenen Wirksamkeit getroffen werden können.
Österreich ist ein wissenschaft-skeptisches Land. Bei Sorgen werden immer noch sehr gerne der „liebe Gott“ und „das Universum“ um Hilfe gebeten oder der Hausverstand strapaziert. Auch haben in der Vergangenheit, bewusst oder unbewusst, Teile des rechtskonservativen Lagers immer wieder das Vertrauen in die Wissenschaft untergraben.
Zudem haben sich in diesem von Föderalismus geprägten Land in Fragen der Gesundheit oft Land und Bund widersprochen. Uneinheitliche Aussagen, das Zitieren verschiedenster Expert:innen und das Vernachlässigen der Tatsache, dass Äpfel mit Birnen verglichen wurden, haben die Bevölkerung verunsichert.
Die Medizin und die Sozialforschung liefern jedoch Fakten. Die Aufgabe von Public Health besteht darin, diese Erkenntnisse abzugleichen, während die Politik unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Entwicklungen ihre Schlüsse ziehen und entsprechende Entscheidungen umsetzen kann.
Fortschritt kommt ohne Wissenschaft nicht zustande, und das gilt für jeden Bereich unseres täglichen Lebens, den wir betrachten. Unsere alltäglichen Erfahrungen werden stark von den Entwicklungen beeinflusst, die uns durch Wissenschaft und Forschung das Leben erleichtern. Dies betrifft Bereiche wie Ernährung und Landwirtschaft, Verkehr und Informationstechnologie, Arbeitssicherheit und vieles mehr – nicht zuletzt die Medizin.
Ein Staat, der erhebliche Mittel für Universitäten bereitstellt, kann ebenso Grundlagenforschung vorantreiben. Dies sollte unser angestrebtes Ziel sein, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Denn der Staat ist die einzige Instanz, die tatsächlich Grundlagenforschung betreiben und das wirtschaftliche Risiko übernehmen kann.
Kein Unternehmen kann es sich leisten, 20 Forschungsprojekte zu starten, von denen vielleicht eines letztendlich zu einer wirtschaftlichen Anwendung führt.
Mariana Mazzucato legt diese Wahrheit in ihrem Bestseller „Das Kapital des Staates: Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum“ offen. Ihr mittlerweile berühmtes Beispiel vom Apple iPhone, welches kein einziges Teil enthält, das nicht auf staatliche Grundlagenforschung zurück geht, unterstreicht diese Tatsache eindrucksvoll. Erfolgreiche private Innovationen von der Entwicklung der ersten Computer bis zum Einsatz der Gen-Schere basieren auf staatlich geförderter Grundlagenforschung.
Wer bei den Universitäten spart, spart an der Zukunft dieses Landes bzw. lagert die Generierung von neuem Basiswissen auf privatwirtschaftliche Institute aus, welche diese Anforderungen aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgsdrucks nicht erfüllen können. Wir brauchen aber dringend beides. Die akademische Grundlagenforschung und die Anwendungsforschung der Unternehmen.
Es gibt ausreichend mutige Unternehmensgründer:innen im Bereich moderner Medizintechnik, Forschung und Datenverarbeitung. Ebenso existieren hervorragende Wissenschaftler:innen in diesem Land. Zudem stehen mehr Daten (Real World Data) zur Verfügung als jemals zuvor.
Wir agieren in einem äußerst faszinierenden Umfeld. Dabei ist es von großer Bedeutung, zwischen tatsächlichen Korrelationen und vermeintlichen Korrelationen zu unterscheiden und diese zu erkennen.
Die Grundlage für einen konstruktiven Dialog zwischen den verschiedenen Interessensgruppen muss geschaffen werden. Das ist von essenzieller Bedeutung für den Fortschritt der Forschung in Österreich. Vor allem benötigen wir eine politische Landschaft, die auf Fakten basiert und die Wissenschaft nicht herabsetzt.
Forschung kann so cool sein – siehe „Science Busters“! Mit humorvoller Darstellung wird Wissenschaft für die breite Bevölkerung verständlich gemacht. Wir brauchen mehr davon.