
Kunst versus Wirtschaft
4. Mai 2024
Fake News
4. Mai 2024„Mittelfristig ist damit zu rechnen,
dass CCS als „Best Available Technology“
etabliert wird und dekarbonisiert
erzeugte Produkte Marktvorteilehaben werden.“
Tobias Pröll
Univ. Prof. | Institut für
Verfahrens- und Energietechnik
Universität für Bodenkultur Wien
Carbon Capture and Storage (CCS)
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Derzeit wird viel über die Abscheidung von CO2 gesprochen. Dazu gibt es verschiedenste Ansätze, wie die Verwendung von CO2 als Rohstoff (Carbon Capt
ure and Utilisation – CCU), die Abscheidung aus der Umgebungsluft (Direct Air Capture – DAC) sowie die Abscheidung und Speicherung aus relativ hoch konzentrierten Abgasströmen (Carbon Capture and Storage – CCS).
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, sei hier gesagt, dass CCU und DAC sehr große Mengen an Energie für die Rückumwandlung des CO2 bzw. den Abscheideprozess aus der Umgebungsluft erfordern. In einem energielimitierten Setting, in dem wir uns bei weitgehender Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zweifelsohne befinden, ist daher weder von CCU noch von DAC ein relevanter Beitrag zur Lösung der Klimakrise zu erwarten.
Deutlich differenzierter sieht das bei CCS aus! Was in Skandinavien und anderen Nordsee-Anrainerstaaten schon als selbstverständlich gilt, ist bei uns noch wenig bekannt: Als kurzfristige Lösung zur effektiven Dekarbonisierung der Industrie wird dort die Abscheidung und Speicherung von CO2 angegangen. Die Idee dabei: CO2 darf nicht mehr in die Atmosphäre, also wird es aus dem Abgas von Industrieanlagen, Zementwerken oder Biomasse-Heizkraftwerken abgetrennt und in konzentrierter Form in geeignete geologische Speicherstätten vor der Küste gepresst. Damit kann mit den etablierten Verfahren weiter produziert werden. Ist das nun eine Lösung, die den Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur wert ist?
Wenn wir die Pariser Klimaziele anstreben, dann wird die Tonne CO2 bald sehr teuer sein und kann den Aufwand von CCS rechtfertigen. Grundsätzlich werden wir in einer solchen Welt so weit als möglich auf direkte erneuerbare Energieträger setzen und Emissionen vermeiden, wo immer das technisch und wirtschaftlich möglich ist. Wir werden aber wohl auch in Zukunft noch mit Zement und Stahl bauen, Düngemittel, Kunststoffe und Papier herstellen oder Müllverbrennungsanlagen betreiben. Diese Anlagen sollten daher mit Abscheidesystemen ausgestattet sein, die das CO2 einer dauerhaften Speicherung zuführen. Das klingt einfach, es gibt aber Hindernisse.
Der technische Hauptaufwand in der Prozesskette Abscheidung – Transport – Speicherung ist die Abscheidung und Bereitstellung in konzentrierter Form für den Transport. Dafür wird zusätzlich Energie benötigt, was typischer Weise dazu führt, dass Systeme mit CCS 20-30% mehr
Energie benötigen als Systeme ohne CCS. Dafür gelangt zumindest der Großteil des entstehenden CO2 nicht in die Atmosphäre: typische Abscheidegrade liegen bei 90%.
Der Transport in Tanks oder Pipelines stellt die höchsten Anforderungen an die Reinheit des konzentrierten CO2-Stroms, da hier Korrosion verhindert werden muss. Begleitstoffe wie Sauerstoff oder Wasserdampf müssen daher im Zuge der Kompression des CO2-Stroms abgetrennt werden. Ansonsten ist der Transport von CO2 unproblematisch und gut erprobt: etwas aufwändiger als Öl und etwas weniger aufwändig als Erdgas.
Die Speicherung in geologischen Hohlräumen wirft Fragen nach der Sicherheit und Umweltverträglichkeit von CCS auf. Entscheidend ist, dass das CO2 auch tatsächlich in der Speicherstätte bleibt. Die Speicherung von Erdgas über Jahrmillionen gibt Hinweise auf die mögliche Sicherheit solcher Speicherformationen. Trotzdem muss praktisch sichergestellt und überwacht werden, dass es im Bereich der Bohrungen nicht zum Austritt von CO2 in den Boden oder ins Grundwasser kommt.
Aus wirtschaftlicher Sicht rechnet sich CCS ab wirksamen CO2-Preisen von etwa 120-160 EUR/Tonne CO2 für Standard-Emittenten mit verdünnten Abgasströmen.
Je konzentrierter das CO2 auftritt, desto geringer sind die Kosten für CCS. Derzeit liegen die europäischen Emissionshandelszertifikate bei etwa 90 EUR/Tonne. Auf dem Weg Richtung „Net Zero“ kommen wir da also sicher vorbei, und das eher früher als später.
Die Herausforderungen lassen sich damit zusammenfassen: Der Haupt-Investitions- und Energieaufwand
liegt bei der Abscheidung. Der Transport verlangt eine gewisse Qualität des CO2 und staatliche Infrastrukturentwicklung. Die Speicherung bedarf hohen Sicherheitsstandards und einer transparenten Herangehensweise, um die Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten.
Wie geht es also weiter?
Die Anrainerstaaten der Nordsee entwickeln derzeit mehrere Offshore-Speicherstätten und konkrete CCS-Projekte für unterschiedliche Industriesparten (Chemie, Zement, Eisen- und Stahl, Zellstoff bis hin zu Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen).
Mittelfristig ist damit zu rechnen, dass CCS als „Best Available Technology“ etabliert wird und dekarbonisiert erzeugte Produkte Marktvorteile haben werden.
In Österreich sollten wir diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen und strategisch Lösungen entwickeln, wie an eine technisch sichere CCS-Infrastruktur angeschlossen werden kann. Es braucht vielleicht nicht jedes kleine Land eigene Speicherstätten, aber die Industrie wird auf praktikable Lösungen angewiesen sein, um den Anforderungen einer Zero Emission Economy gerecht zu werden.