
Utopien sind Werkzeuge, keine Ziele
28. Oktober 2025
Kleinstadtbiotop Vöcklabruck
28. Oktober 2025Denise Halak ist Soziologin und seit 2023 Geschäftsführerin für strategische Entwicklung & Operations der Tabakfabrik Linz. Zuvor leitete sie acht Jahre lang Finanzen und Kontrolling. Die studierte Soziologin bringt Erfahrung aus Kultur, Stadtentwicklung und Wissenschaft mit und steht für
Kooperation, Vielfalt, Digitalisierung und nachhaltige Transformation.
www.tabakfabrik-linz.at

Die Tabakfabrik Linz steht vor dem nächsten Entwicklungsschritt: Die Neugestaltung des Innenhofs am
Peter-Behrens-Platz, aktuell als Parkplatz genutzt, soll weit mehr werden als nur eine Begrünung. Ein Gespräch mit Geschäftsführerin Denise Halak über Partizipation, Zielkonflikte und die Vision eines kreativen Urwalds mitten in Linz.
Thema Zukunft (TZ): Denise, was passiert gerade im Innenhof der Tabakfabrik und warum ist das mehr als nur ein bisschen Begrünung?
Denise Halak (DH): Wir gestalten den letzten großen freien Raum in der Tabakfabrik neu. Bisher stand hier das Auto im Mittelpunkt. Künftig soll der Platz den Menschen gehören, ein Ort sein, an dem kreative Impulse entstehen. Innovation braucht nicht nur konzentriertes Arbeiten, sondern auch Momente, in denen Gedanken schweifen dürfen, man einen Baum betrachtet, etwas hört oder sieht, das inspiriert.
TZ: Ihr habt den Prozess partizipativ angelegt. Was macht das mit dem Projekt?
DH: Wir haben uns bewusst für eine dialogische Vorgehensweise entschieden. Wir fragen die Nutzer:innen, die am Areal angesiedelt sind: Wo haltet ihr euch gerne auf? Was wünscht ihr euch, nicht nur für die nächsten Jahre, sondern für 2040? Wir wollen möglichst viele Sichtweisen einholen. Danach schreiben wir international aus, bewusst so, dass auch kleinere Büros mitmachen können, damit viele Ideen fließen. Die Entwürfe zeigen wir wiederum unseren Nutzer:innen und holen Feedback ein. Sogar in der Jury der Ausschreibung sitzen Vertreter:innen der Tabakfabrik-Community. Je mehr Menschen mitdenken, desto vielfältiger sind Perspektiven und Inputs, desto stärker werden Ideen.
TZ: Du beschreibst die Chancen. Siehst du auch Risiken?
DH: Natürlich. Alles hat zwei Seiten. Es wird nie gelingen, alle zufrieden zu stellen. Der Innenhof ist flächenmäßig begrenzt, ebenso die neue Tiefgarage des Quadrill, nicht jeder Wunsch lässt sich erfüllen. Aber wenn wir im Austausch bleiben und Verständnis füreinander entwickeln, liegt darin das größte Potenzial.
TZ: Wie gehst du mit Zielkonflikten um? Aufenthaltsqualität versus Events, Sicherheit versus Freiraum?
DH: Ich denke, es finden sich gemeinsame Nenner. Natürlich soll der Platz so flexibel wie möglich gestaltet sein. Und manches wird man ausschließen müssen. Punkkonzerte für 5.000 Besucher:innen, wie wir sie schon hatten, wird es nicht mehr geben. Dauerparken fällt weg, dafür haben wir künftig eine Tiefgarage und Stellflächen im Umfeld. Am Ende ist es immer die Frage: Wie wollen wir leben und arbeiten? Viele würden antworten: Mir ist eine Aufenthaltsqualität wichtig.
TZ: Gibt es Werte, an denen du hier Entscheidungen ausrichtest?
DH: Ja, Transparenz ist mir wichtig. Wenn alle verstehen, warum etwas möglich ist oder nicht, steigt die Akzeptanz. Genauso zentral ist Ressourcenschonung. Was wir heute entscheiden, wirkt viele Jahre nach, auf nächste Generationen. Im Zweifelsfall lieber jetzt ein bisschen unbequem, dafür langfristig besser.
Und Menschlichkeit in allen Belangen halte ich für unabdingbar.
TZ: Wie bringst du bei der strategischen Entwicklung eines so dynamischen Ortes Offenheit und Zielorientierung zusammen?
DH: Offenheit hat Vorrang. Ich frage mich: Was müssen wir tun, um auch in 20 Jahren noch ein Ort für Innovation und Kreativität zu sein? Was können andere vielleicht besser? Von wem sollten wir lernen? Die
Tabakfabrik ist einzigartig, weil hier so viele verschiedene Menschen zusammenkommen, die daran glauben, dass wir die Welt positiv beeinflussen können. Für diesen Spirit braucht es Pioniergeist, den nächsten Schritt zu wagen, Fehler zuzulassen und strategische Überlegungen zu
korrigieren.
TZ: Woran spürst du, dass eure Arbeit etwas verändert?
DH: Wenn bei uns Flächen frei werden, sind sie sofort wieder vergeben. Das liegt an der Community und an der Energie. Unsere Mieter:innen zeigen eine Vielfalt, die du anderswo selten findest: etablierte Unternehmen,
Banken, Start-ups, Kreative, Sozialinitiativen, Bildungseinrichtungen, Gastronomie, Handel. Menschen
arbeiten über Organisationsgrenzen hinweg zusammen. Genau da entstehen die wirklich
spannenden Dinge.
TZ: Was können andere aus der Tabakfabrik Linz lernen?
DH: Unsere Prinzipien lassen sich auf viele Vorhaben übertragen: Offenheit, Partizipation, Transparenz, Tragfähigkeit. Und Mut, bzw. den Mut auszuhalten, dass man nie so ganz
genau weiß, wohin es im weiteren
Verlauf geht.
TZ: Wenn du auf das Jahr 2040 blickst, was wünschst du dir für den Innenhof?
DH: Ich sehe einen kleinen Urwald. Vielleicht nur fünf Meter, aber du
schlenderst hindurch und fühlst dich wie in einer anderen Welt. Es riecht
anders, du hörst Vögel, Wasser plätschert. Der Platz soll ein Ort sein, an dem man sich ausruhen kann oder auch genießen, zusammenkommen, feiern. Und es ist nicht mehr nur der Hof, der einlädt: Wir haben zudem die Dächer, Terrassen und Eingangsbereiche lebenswert gestaltet. Wir könnten Brücken zur Donau schlagen. Dabei weit und breit keine Autos. Stattdessen Natur, Entspannung, Gemeinschaft und mittendrin Überraschendes, das inspiriert.
